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Kontur eines Lebens

von Jaap Robben, übersetzt aus dem Niederländischen von Birgit Erdmann, erschienen 2023 im DuMont Verlag auf 320 Seiten. Erhältlich für 24,00 EUR

ISBN: 978-3-8321-6818-6/Anzeige


Mit 81 Jahren wird Frieda zur Witwe. Weder sie noch ihr Sohn Tobias hätten gedacht, dass ihr Mann Louis vor ihr gehen wird. Das Haus ist nun zu groß. Ohne Hilfe kann Frieda den Alltag nicht mehr meistern. Daher ist ein Umzug ins Altersheim unausweichlich. Mit der neuen Umgebung und der Stille in ihrem Zimmer kommt Frieda nicht um hin sich mit alten und längst verdrängten Erinnerungen auseinander zu setzen. Als es dann zu einem Vorfall im Altersheim mit einem Pfleger kommt, bei dem Frieda zuschlägt, fängt auch ihr Sohn an sich Sorgen zu machen.





Nur zögerlich lässt sie sich von Tobias helfen, nach einem alten Freund zu suchen. Otto. Herauszufinden ob dieser noch lebt. Warum genau sie so dringend am Ende ihres eigenen Lebens nun Otto finden möchte und auf eine letzte Chance zum Gespräch hofft, behält sie lange für sich. Auch die Tatsache, dass ihr Sohn bald Vater wird, kurbeln die Erinnerungen bei Frieda an. Die Rückblicke werden klarer und Frieda zeigt sich Tobias und seiner Frau gegenüber merkwürdig, kann sich scheinbar nicht über das Enkelkind freuen.


Niederlande, 1963: Denn es gab eine Zeit vor Louis. Als sich die junge Frieda mit gerade einmal 21 Jahren in Otto verliebt. Otto, 11 Jahre älter und verheiratet, erwidert die Gefühle. Eine Scheidung ist jedoch nicht im Bereich des möglichen. So führen die beiden eine leidenschaftliche Affäre, bei der Frieda am Anfang schwanger wird. Als die beiden nach drei Monaten Gewissheit haben, beginnt für Frieda die Hölle.

Die Schwangerschaft ist für einen Abbruch zu weit fortgeschritten. Die Eltern, streng katholisch, sehen nur eine Möglichkeit. Das Kind heimlich bekommen und direkt zur Adoption weiterzugeben.


Bei der Geburt kommt es zu Komplikationen, Frieda sieht ihr Neugeborenes einen kurzen Moment. Die Füße des Babys. Otto ist da und geht mit dem Kind raus. Das ist das letzte Mal, dass sie die beiden sieht. Frieda selbst kommt danach ins Krankenhaus. Liegt mit anderen Frauen auf der Station. Alle paar Stunden werden die Neugeborenen zum Stillen gebracht. Nur Frieda erhält kein Baby. Die Bilder der kleinen Füße wird sie nie vergessen.


Eine Frau macht ihr ihre dramatische Lage bewusst. Dass sie sich zusammenreißen solle und aufhören solle nach ihrem Kind zu fragen. Sie wird sonst von der Krankenstation nicht wieder rauskommen. Trotz Trauma und Schock versucht Frieda ihren Anweisungen so gut wie möglich Folge zu leisten und findet den Weg zurück in ein Leben ohne Otto und ohne Kind. Diese Zeit hat Frieda jahrzehntelange verdrängt und hat nach ihrem Krankenhausaufenthalt nur noch einmal mit ihrer Mutter über die Ereignisse gesprochen. Aber die Geschehnisse lassen ihr keine Ruhe. Die Fragen was mit ihrem Kind passierte drängen sich mehr und mehr auf. Und nur einer kann ihr sagen was geschah, nachdem das Kind aus dem Zimmer getragen wurde. Otto.


"Kontur eines Lebens" bearbeitet einfühlsam ein Thema, über das lange geschwiegen wurde. In der Nachkriegszeit waren Schwangerschaften außerhalb der Ehe nicht akzeptiert. Frauen wurden nicht selten in sogenannten Mütterheimen untergebracht, in denen sie bis zur Entbindung lebten. Man wurde Gesellschaftlich geächtet.

Totgeburten wurden einfach übergangen. Betroffenen wurde nicht die Möglichkeit gegeben erfahrenes aufzuarbeiten oder Abschied zu nehmen. Fragen wurden ignoriert. Das Thema einfach totgeschwiegen.


Mit Frieda hat sich Robben an dieses sensible Thema gewagt. Hat eine individuelle Geschichte erzählt über eine Zeit, in der so vielen Frauen das Gleiche widerfahren ist. Frieda ist ein sehr authentischer Charakter, dessen Lebensgeschichte mich mitten ins Herz getroffen hat. Der Wechsel der Erzählungen von Frieda aus dem Jetzt und Damals geben ihrem Leben und dem Buch nach und nach immer mehr Kontur. Die Aufarbeitung im hohen Altern an prägende Ereignisse und tiefe Verletzungen, die in der Jugend erlebt wurden, scheint vielleicht auf dem ersten Blick nicht unbedingt neu. Gerade aber in der heutigen Diskussionen um selbstbestimmte Mutterschaft sind die 60 Jahre, die zwischen den gesellschaftlichen Entwicklungen liegen, kurz. Diese Zeit in Europa ist noch nicht all zu lange her.


Für mich ist Friedas Geschichte ein Buch, das ich noch lange in Erinnerung behalte und das ich jede*m empfehlen möchte, der/die sich mit diesem Thema auseinandersetzen möchte.







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