von Hadija Haruna-Oelker, erschienen 2022 im btb Verlag auf 560 Seiten. Erhältlich für 24,00 EUR
ISBN: 978-3-442-75946-0/Anzeige
Die Schönheit der Differenz ist ein sehr persönliches Plädoyer für mehr Toleranz und weniger Rassismus und Diskriminierung in unserer Gesellschaft. Hadija Haruna-Oelker arbeitet in diesem Sachbuch unser aktuelles Zusammenleben auf und hinterfragt sich selbst und uns auf allen Ebenen. Ausgehend von ihrem persönlichen familiären Background und den Erfahrungen, die sie machen musste, nimmt sie gesellschaftliche Strukturen auseinander und drängt zu einer neuen Gestaltung unseres Miteinanders.
Zu den verschiedenen Kapiteln ordnet die Autorin ihre Gedanken immer wieder. Viel kann sie selbst berichten oder mit Erlebtem in Kontext setzen. Sie versucht uns als LeserInnen zu den verschiedensten Themen in unserem gesellschaftlichen Miteinander abzuholen. Ohne belehrend zu sein hat das Buch einen sehr dringlichen Ton und die persönliche Note kommt an vielen Stellen durch, was mir sehr gefallen hat. Die Thematiken werden somit greifbarer. Immer wieder erklärt Haruna-Oleker ihre eigene Perspektive und ihre Privilegien, aus denen sie spricht, denkt und handelt. Und die jeder für sich in jeder Situation und Begegnung mit anderen, sich immer selbst vergegenwärtigen sollte.
In jeder Begegnung liegen so viele Möglichkeiten & Chancen für sich selbst und sein eigenes Handeln etwas mitzunehmen und sich weiterzuentwickeln. Es geht um mehr Achtsamkeit, Empathie, Verständnis und ständige Selbstreflexion, um unser Miteinander neu und besser zu gestalten. Und die Bereitschaft, weiter zu lernen und sich mit Neuem auseinanderzusetzen.
"Es ist ein Privileg, wenn ich entscheiden kann, ob ich mich mit der Differenzerfahrung meines Gegenübers auseinandersetze oder nicht."
Die Autorin beschäftigt sich mit (unserer) Sozialisierung, was uns bewegt und wie verschiedene Lebensrealitäten aussehen, die in unserer Gesellschaft alle zwangsläufig aufeinandertreffen. Wie wir in Begegnungen miteinander umgehen können und was wir für uns selbst daraus mitnehmen können. Auch geht es um Klassifikation, Gender, unseren Geist und das Thema Behinderung. Was nehmen wir wahr, was blenden wir aus? Bewusst oder unbewusst. Wie sehen wir die Dinge und warum sehen wir so?
Am Ende stehen vielleicht in manchen Bereich mehr Fragen als am Anfang, aber das ist gut und gibt uns Raum, das Miteinander neu auszuarbeiten und aufzubauen und alle Denkmuster und Vorurteile zu durchbrechen.
Die Autorin arbeitet auch Thematiken auf, die in der Öffentlichkeit heißt diskutiert wurden. Wie "Was darf man noch sagen"? Bzw. wie kommen wir überhaupt darauf, dass wir nicht mehr alles sagen dürfen? Was ist kulturelle Aneignung und warum sollten wir in Themen wie Kinderbüchern, Übersetzungen & der Sprache sensibler sein.
"Sprache ist eine Form von Handlung, die Menschen zugleich wertschätzen, verletzen, anerkennen und diskriminieren kann. Sprache ist politisch. Sie kann Menschen abwerten, auch wenn es nicht so gemeint ist oder es so nicht verstanden werden soll. Es bedarf einer gewissen Offenheit, um Dinge wahrzunehmen, selbst wenn einem diese nicht unmittelbar nachvollziehbar oder gerechtfertigt erscheint. Es braucht Kontext."
"Damit ist eine Gesellschaft so rassistisch, wie sie ihren Rassismus nicht erkennt, ihn weiterlebt und nicht bespricht."
Die Schönheit der Differenz ist ein komplexes Buch, das alle wichtigen Themen bearbeitet. Hier und da wäre ich gerne noch tiefer in die Themen eingetaucht oder hätte mehr erfahren. Das hätte das Buch aber wohl gesprengt. Immerhin liefert die Autorin uns knapp 560 Seiten. Zu jedem Kapitel folgen im Nachgang auch noch weitere Links, Autoren & Bücher, die das Thema weiter aufarbeiten und Möglichkeit geben, sich intensiver mit dem Thema auseinanderzusetzen. Das macht es zu einem Buch, das einen durchaus länger begleiten wird. Die Recherchearbeiten für das Buchen können wir auch im vollständigen Anhang weiter nachverfolgen. Meine Leseliste ist auf jeden Fall enorm gewachsen!
Ein Buch, das einem immer wieder zum Nachdenken bringt und das viel diskutiert werden sollte. Ich werde hier noch des Öftern nachschlagen und nachlesen und hoffe, es findet eine große Leserschaft!
"Ich nutze den Begriff Differenz, weil er mir eingängig erscheint und gleichzeitig auf theoretischer Forschung basiert. Es ist der Versuch, eine Perspektive in einem größeren Diskurs einzunehmen, der für Verständnis sorgen will."
Ich möchte aufzeigen, dass die Geschichte sozialer Bewegung keine Modeerscheinung oder Medienhype ist, sondern ein langer Weg, der von unterschiedlichen Menschen gegangen wurde, auf dem jede Generation anders feststellen musste, dass Privilegiert sein und sein Marginalisiertwerden vom Kontext abhängt und dass unsere eigene Perspektive darauf nicht statisch sein kann, weil die Zeiten und Umstände sich ändern."
Hadija Haruna-Oelker arbeitet als Journalistin, Politikwisschenschaftlerin und Moderation. Sie war ebenfalls im Januar diesen Jahres als Gast in dem Podcast "Alles gesagt". Auch hier spricht sie über ihr Buch "Die Schönheit der Differenz", man bekommt einen guten Einblick in die Inhalte des Buchs und die Autorin gibt viele wichtige und hilfreiche Denkanstöße zu unseren gesellschaftspolitischen Fragen. "Die Schönheit der Differenz" ist im Sommer 2023 auch als Taschenbuch erschienen.
"Es ist ein langfristiger Prozess, der oft erst im Wechsel der Generationen gelingt, und in genau diesem Wandel stecken wir jetzt gerade. Wir haben jetzt die Chance, unsere Gesellschaft durch neue Selbstverständnisse zu formen."
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