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Der große Wunsch

von Sherko Fatah erschienen im August 2023 im Lucterhand Verlag auf 384 Seiten. Erhältlich für 25,00 EUR

ISBN: 978-3-630-87737-2/Anzeige


Die junge Naima hat sich ohne ein Wort des Abschiedes auf den Weg nach Syrien, in das Heimatland ihres Vaters, gemacht um sich mit einem Glaubenskrieger zu verheiraten und den heiligen Krieg zu unterstützen. Murad, ihr Vater, folgt ihr. Er will sie finden, sie zurück holen und versäumtes wieder gut machen. Murad reist in das Kurdengebiet an der türkisch-syrischen Grenze. Mit Hilfe von Freunden und alten Bekannten nimmt er Kontakt zu den Schleusern auf, die eine junge Frau ausmachen, die mit hoher Wahrscheinlichkeit Naima sein könnte. Die Hoffnung packt Murad und lässt ihn die nun folgende Zeit ausharren.


"Der große Wunsch" hat es 2023 auf die Longlist des Deutschen Buchpreises geschafft.





Naima wächst in Deutschland auf. Ihre Eltern haben sich getrennt. Murad versucht für Naima da zu sein, verliert aber mehr und mehr den Zugang. Sein eigener Vater ist aus dem Dreiländereck in Syrien nach Deutschland geflüchtet und Murad hat für sich selbst mit seinem Herkunftsland und seiner Vergangenheit abgeschlossen.


Nachdem Naima online einen Mann kennenlernt, ein "Gotteskrieger", der dem IS anhängt, entschließt sie sich, ihr Leben in Deutschland hinter sich zu lassen, zu ihm zu reisen und ihn zu heiraten. Murad reist ihr nach.


"Aber wie rettet man jemanden, auch wenn man ihn noch so sehr liebt, vor dessen eigenen Wünschen?"


Nach und nach erhält Murad von den Schleusern immer wieder Auszüge aus einem Audiotagebuch, vermeintlich dem von Naima. Weitere Hinweise, ob es sich um Naima handeln könnte bekommt Murad nicht. Aber sollte ihre Stimme nicht Beweis genug sein? Murad bleibt sich jedoch unsicher. Auch Dorothee, seine Ex-Frau und Naimas Mutter, die in Deutschland auf Hinweise wartet, bestreitet, dass es sich um die Stimme von Naima handelt. Aber können wir objektiv beurteilen, wenn die Angst, sie könnte es nicht sein und der Wunsch, sie könnte es sein, gleichzeitig so groß sind?


Wir befinden uns die ganze Zeit in Murads Gedankenwelt und harren mit ihm aus. Die Schleuser melden sich nur sporadisch und die Suche nach Naima geht nicht voran. Bis auf immer neue Ausschnitte aus dem Audiotagebuch, hat Murad nichts, woran er sich klammern könnte.


Er entdeckt sein Heimatland neu und muss sich immer wieder seiner Vergangenheit stellen. Und die Frage, ob er Naimas Entschluss hätte verhindern können, indem er ihr mehr über Syrien erzählt hätte, treibt ihn um. Hier, fernab von Deutschland, erscheint ihm seine Tochter so fremd wie nie. Ihre Entwicklungen, die zu dieser Entscheidung geführt haben, kann er nicht nachvollziehen. Mit dieser Entscheidung hat Naima alle Werte verraten, für die Murad einsteht. Genau hiervor wollte er sie bewahren. Er versucht nachzuempfinden, wie fremd sie sich in Deutschland gefühlt haben muss.


"Was sollte er daraus schließen? Hatte sie darüber hinweggesehen, weil Klappern nun einmal zum Handwerk gehört, war es ihr egal, weil sie aus irgendeinem Grund stumpf geworden war und das Leid anderer Menschen für sie abstrakt blieb? Oder befürwortete sie es sogar als Waffe gegen die Feinde ihres Glaubens? Verblendung, Fanatismus, das sagt sich so leicht, dachte er, dabei ist es das, was am schwersten zu verstehen ist."


Die Hinweise auf Naimas Aufenthaltsort verhärten sich und Murad trifft schließlich die Entscheidung, mit den Schleusern in das Herrschaftsgebiet des islamischen Staates zu reisen. Er verspricht sich endlich Gewissheit, Naima wiederzusehen und ihr zu helfen.


"Es machte aus ihr keine Fremde, sondern eine Feindin. Wie soll ich dieser verschleierten Person, die alles hinter sich gelassen hat, wofür ich zu stehen glaube, gegenübertreten?"


"Der große Wunsch" spielt vor dem Hintergrund der Konflikte im Nahen Osten und stellt die Verbindung über die Vater-Tochter Geschichte nach Westeuropa. Im Mittelpunkt steht Murad's Suche. Die Suche, das Warten und die Ungewissheit sind allgegenwärtig. Je weiter wir in der Geschichte voranschreiten, desto klarer wird, welche Gedanken Murad umtreiben und dass es in diesem Roman nicht um die Sicht und die Motivation von Naima geht. Die Hoffnung treibt das Lesen voran aber dadurch, das sich nicht das einstellt was man hofft oder erwartet, fühlte es sich für mich mit der Zeit zäh an. Das Lesen des gesamten Buches hat sich angefühlt wie warten. Warten das etwas passiert.


Ich hatte erwartet dass die Vater-Tochter Geschichte mehr von beiden Perspektiven erzählt wird, dass wir erfahren, warum Naima so entschieden hat, wie sie es tat. Welche Erfahrungen sie gemacht, was sie fühlt, und ob es ihre Stimme in den Audiotagebüchern ist. Natürlich muss nicht immer alles beantwortet werden, aber in diesem Roman ist die Perspektive nur einseitig und am Ende des Buches, wirkte die Suche von Murad weiterhin offen.


"Es gibt immer diesen Moment, in dem die Aufmerksamkeit für einen Krieg nachlässt, und wenn er lange genug dauert, verlieren die Großmächte die Kontrolle darüber."







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